90 Sinn des Lebens – Rekrutenschule 2015/2016 veröffentlicht im Jahr 2020/21 Ein Feldpfarrer trat in den ersten Tagen vor unsere Kompanie. Er erzählte uns eine Geschichte, vielleicht um uns seine Aufgabe als Armeeseelsorger etwas schmackhaft zu machen – was bei mir nahezu gänzlich scheiterte. Es ging darum, was wir machen würden in einem Ernstfall, anhand folgender Geschichte: „Peter und Urs sind Freunde und gehen zu zweit Bergsteigen. Zu wissen: Peter ist 23 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Kinder. Urs dagegen ist 22 Jahre alt und hat eine Freundin. Plötzlich rutscht Urs aus und stürzt ab … Er hängt am Seil, über der Klippe … Weit und breit ist niemand. Nun gibt es gemäss Feldpfarrer nur noch zwei Möglichkeiten. Die erste: Peter schneidet das Seil durch, worauf Urs stirbt. Die zweite: Peter versucht Urs zu retten, was erfolglos scheitert und dazu führt, dass beide sterben.“ Nun stellte er uns die Frage, welche von beiden Möglichkeiten wir wählen würden. 2/3 der Kompanie wählte diejenige Variante aus, bei der beide sterben würden … Er wollte eigentlich darauf hinaus, dass Peter das Seil durchschneiden würde und sich dann Vorwürfe mache, er sei schuld daran. „Es geht in allem um die Schuldfrage …“, meinte er. Ich konnte es nicht mehr zurückhalten, streckte die Hand und fragte ihn vor allen: „Hauptmann, Rekrut Sasek (so muss man sich im Militär stets anmelden, bevor man etwas sagt). Sie sind ja Feldpfarrer. Haben Sie nicht noch eine dritte Möglichkeit vergessen?“ Ein leises Raunen ging durch die gesamte Kompanie. Natürlich wussten alle ganz genau, was ich damit gemeint hatte, nämlich ein Gebet, ein Rufen zu Gott, die Erwartung eines Wunders?! Als er mir antwortete, sagte er: „Sie sind ja vielleicht gläubig … da gibt es schon dieses Dilemma, wie es z.B. in der Bibel steht … aber es gebe nur zwei Möglichkeiten und die Geschichte sei noch nicht zu Ende.“ Ich gab erleichtert zum Ausdruck: „Ah, da bin ich aber froh“. Als die Geschichte dann zu Ende war, fragte ich ihn dann nochmals vor der gesamten Kompanie, welche Variante er selbst wählen würde und was nun mit der dritten Möglichkeit sei. Zögernd gab er zur Antwort: „Also, hm … ich würde eher nicht durchschneiden … und die Lösung … äh … liege in der Sache selbst …“ usw. Meine Kameraden meinten nach der Theorielektion: „Hey Sasek, ich hab das Gefühl, der hat sich voll rausgeschwatzt.“ oder: „Sasek, das war ein guter Einwand! Ich bin gleicher Meinung.“ Da eben von den Worten des Feldpfarrers so keine göttliche Kraft oder spürbares Leben ausging, trieb mich eben der Geist, dem Feldpfarrer (Hauptmann) etwas „Nachhilfe“ zu leisten und zu sagen: „Es
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